Mittwoch, 30. August 2017

10 – Norwegen: Jotunheimen Nationalpark bis Lillehammer (22.-28.08.2017)


Unser einsamer Platz an den rauschenden Stromschnellen des Ottaflusses gefällt uns so gut, dass wir gleich drei Nächte bleiben. Das haben wir auf dieser Tour erst ein einziges Mal hinbekommen. Für den 22. August ist gutes Wetter angekündigt, und wir stehen früh auf. Es ist bitterkalt – Null Grad sagt das Thermometer, der wärmste Ort ist definitiv der Kühlschrank. Aber macht nix, wir freuen uns so über den blauen Himmel, dass wir schnell los wollen. Wir. Das Auto nicht. Aus. Tot. Keine Reaktion.

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Eine leere Batterie ist normalerweise kein Problem. Aber wenn man ganz einsam an einem Fluss steht, wohin auch kein anderes Auto kommen kann, dann ist das Problem schon größer. Zum Glück erspähen wir in der Nähe ein norwegisches Wohnmobil. Kristina und Ralf, zwei ausgewanderte Berliner, helfen uns, den Bulli rückwärts so weit zu schieben (gefühlte drei Kilometer), bis wir in die Nähe ihres Wohnmobils kommen, das unserem Bulli neues Leben einhaucht. Grade nochmal gut gegangen!

Endlich kann es los gehen. Bei herrlichstem Wetter immer am Fluss Otta entlang, bis nach Lom, Zentrum und Basislager des Jotunheimen Nationalparks. Gleich am Ortseingang die schöne, 1180 erbaute, Stabkirche:

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Stabkirchen sind eine norwegische Spezialität. Massive Baumstämme (“Stäbe”) mit bis zu 40 cm Durchmesser bilden die tragende Struktur, auf der auch das Dach ruht. Die Wände um dieses tragende Gerüst wurden dann senkrecht mit Brettern verplankt. Die Konstrukteure hatten diese Technik von den Schiffsbauern der Wikingerschiffe gelernt.

Wir freuen uns, endlich im Jotunheimen Nationalpark angekommen zu sein. Hier liegen die höchsten Berge Norwegens, allen voran der 2469 m hohe Galdhoppigen, höchster Berg des Landes. Gleich am ersten Tag wandern wir von der Krossbu Hütte hinauf zum Smorstabbrean, den mit 14 km² größten Gletscher des Jotunheimen-Gebirges. Zunächst geht es lange über Geröllwege hinauf zur Gletscherzunge.

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Irgendwann ist für uns leider Schluss. Wir erreichen die Gletscherzunge, und von hier geht es nur mit geführten Touren weiter.

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Beeindruckend, diese meterhohen Eiswände und Gletscherspalten:

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Über eine schöne Rundwanderung geht es zurück zur Krossbu-Hütte, immer wieder den tollen Gletscher im Blick:

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Es macht viel Spaß, endlich mal wieder auf richtig schön markierten Wanderwegen zu marschieren, und nicht, wie schon so oft, wild durch die Landschaft zu stochern.

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Wir besuchen die Sognefjellshytta, den mit 1.434 m höchsten Aussichtspunkt, den man mit dem Auto erreichen kann. Von hier aus hat man nochmal einen wunderschönen Blick auf die Gletscher, die hinter uns liegen…

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… sowie die noch vor uns liegenden Gletscher:

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Die Sognefjellshytta ist einen Besuch wert: neben dem Altbau gibt es einen originellen Anbau, der vorzüglich in die Landschaft passt. Vor allem der Boden, der aus original Berggeröll besteht.

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Eigentlich wollen wir hier oben am Pass übernachten, aber schon am Nachmittag ist es frostig kalt, und wir fahren zurück ins Tal, wo wir uns etwas angenehmere Nachttemperaturen erhoffen. Apropos angenehm: Norwegen scheint ein richtig schlechtes Gewissen uns gegenüber zu haben, was das Wetter betrifft: Nach den vielen vielen Regentagen und –wochen will es sich bei uns wieder einschmeicheln, und präsentiert uns Sonnenschein vom 22.-28. August!!!

Am nächsten Tag fahren wir wieder hinauf zur Sognefjellshytta, um nochmal eine andere Wanderung zu machen. Die Hochstraße über das Fjell ist übrigens super gut. Aber schon bald wird sie wieder für den Winter gesperrt. Die Schneestangen links und rechts der Straße zeigen, wie hoch der Schnee hier liegen wird:

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Jedoch sind nicht alle Straßen so gut. Auf der Suche nach einem geeigneten Übernachtungsplatz wagen wir uns auch schon mal auf etwas holprigeres Gelände. Die Skizze sagt mehr als tausend Worte:

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Auf unserer Wanderung kommen wir an vielen kleinen glasklaren Gletscherseen vorbei:

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Im Hintergrund die weißen Gipfel des Breheimen Nationalparks:

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Oft müssen wir Schneefelder überqueren – da bekommt man schon wieder richtig Lust auf die erste Skitour:

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Und wieder sind wir begeistert, wie gut die Wege hier markiert sind:

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Immer mal wieder der Blick hinüber zur unserer Wanderung vom Vortag:

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Nach drei Tagen verlassen wir schweren Herzens den Jotunheimen Nationalpark. Wir sind zwar noch nicht am Ende unserer Reise, wissen jedoch schon jetzt, dass dieser wunderschöne Park auf jeden Fall zu den Top 3 Highlights gehören wird.

Doch der nächste Höhepunkt wartet schon am nächsten Tag: der riesige Jostedalsbreen, mit einer Fläche von ca. 480 km² und einer Dicke von bis zu 500 m der größte Gletscher des europäischen Festlandes. Der Jostedalsbreen gehört zum Breheimen, zu deutsch “Heimat der Gletscher”. Hinter jeder Kurve wartet ein neuer Gletscher, ein neues Ahh und Ohh…

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Besonders beeindruckend ist der Supphellebreen. Sein 700 m hoher Gletscherarm schiebt sich pro Tag bis zu 2 m an den Fjord.

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Der Supphellebreen ist der am niedrigsten gelegene Gletscher in ganz Norwegen. Mit dem Auto kommt man ganz nahe an den Gletscher heran, und die letzten Meter kann man zu Fuß zurücklegen. Mit offenem Mund stehen wir staunend direkt unter dem hängenden Gletscher:

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Kein Wunder, dass dieses Schild angebracht ist: Achtung Dachschaden!

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Bevor es zum nächsten Gletscher weiter geht, schnell eine kleine Anekdote am Rande, aus der Kategorie “Kurioses”. Dinge, die man aufschreiben muss, um sie nicht zu vergessen, um auch später mal darüber schmunzeln zu können:

Wenn man – wie Thomas – eitel ist, was sein Gewicht anbetrifft, dann gehört natürlich eine Personenwaage in das unerlässliche Reisegepäck. Wenn man dann aber immer wild campt, an Flussufern oder auf entlegenen Schotterplätzen, muss man sich erst einmal eine ebene Betonfläche für den Wiegevorgang suchen. Und so passiert es nicht selten, dass mein erster Blick am Morgen aus dem Fenster einen äußert spärlich bekleideten Thomas mit einer Personenwaage unter dem Arm zeigt. Auf dem Weg zur nächsten Straße. Tja, und dann muss man sich mal vorstellen, man fährt verträumt einen Highway entlang, und plötzlich steht hinter der nächsten Kurve: nein, kein Elch, kein Rentier, kein Grizzlybär. Nein, ein Zwei-Meter-Lulatsch in Unterhose auf einer Personenwaage. Mitten auf der Straße. Wenn man da nicht denkt, man sei im falschen Film!?!

Aber jetzt weiter zum nächsten Gletscher, dem Boyabreen, der sich direkt neben der Hauptstraße auftut:

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Mindestens genauso beeindruckend wie der Supphellebreen…

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Wieder genießen wir herrliches Wetter, aber für kalte Tage gibt es ein nettes Café mit einer riesigen Fensterfront zum Gletscher-Beobachten. Und mit viel Gras auf dem Dach (im Unterschied zu Holz vor der Hütte):

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Direkt am Fuß des Gletschers übernachten wir. Ein wunderschöner Platz…

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… das findet auch eine Kuhherde. Und was dieses weiße Ufo mitten auf ihrer Weide sein soll, muss schon mal erkundet werden. Alles wird angeschnüffelt, abgeschleckt, unser gutes Spülwasser ausgetrunken. Und was gibt es Besseres, um seinen Rücken zu kratzen, als einen Seitenspiegel oder einen Fahrradständer… und da die jungen Kühe alles andere als scheu sind, belagern sie uns, und uns bleibt nur die Flucht ins Auto.

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Irgendwann ist alles abgeschleckt, und der Kuhalarm zu Ende. Trotzdem verbringen wir eine unruhige Nacht, denn immer wieder krachen Teile des Gletscher mit lautem Tosen in die Tiefe.

Auf unserer Weiterreise wartet die nächste Fährfahrt auf uns. Es macht immer wieder Spaß, einen Fjord per Fähre zu überqueren, zumal dieser Spaß auch gar nicht teuer ist. Im Schnitt zahlen wir ca. 12 Euro für eine Überfahrt.

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Wir kommen in Laerdal an und bummeln durch die gemütliche Altstadt Laerdalsoyri mit ihren ca. 160 Holzhäusern, die allesamt unter Denkmalschutz stehen:

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Von Laerdal nach Aurland geht es durch den längsten Straßentunnel der Welt, den 24,5 km langen Laerdalstunnel. Man kann aber auch über die alte Straße fahren, über die Berge, den Aurlandsfjellet. Und das tun wir. Der Snovegen oder Aurlandsvegen ist nur von Juni bis Oktober befahrbar. Snovegen heißt Schneestraße, selbst im Frühsommer türmen sich neben der freigefrästen Fahrbahn übermannshohe Schneewände.

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Zum Glück nehmen die meisten den Tunnel, denn die Straße über die Berge ist so schmal, eigentlich einspurig, dass man wirklich Probleme bekommt, wenn Gegenverkehr kommt.

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Auf dem Navi sehen wir, dass wir genau über dem Tunnel sind, der sich ca. 1.300 m unter uns befindet:

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Die Bergstraße ist fantastisch, immer wieder geht es an glasklaren Gletscherseen vorbei:

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Bei einer wunderschönen, mehrstündigen Wanderung vertreten wir uns die Beine, bevor es auf der ebenso schmalen Straße wieder hinab geht.

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650 m über dem Aurlandsfjord schwingt sich die dynamisch geformte Aussichtsplattform Stegastein und bietet einen atemberaubenden Blick über den Fjord:

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Durch die gläserne Front geht es direkt hinab nach Aurland.

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Die steile Serpentinenstraße hinunter nach Aurland wird immer enger. Wer dachte, die Trollstigen sind eine Herausforderung, ist hier noch nicht gefahren. Das Auto auf dem Foto ist ein kleiner Opel Corsa. Als der österreichische Reisebus entgegen kam, fiel dem Fotografen vor lauter Schreck der Fotoapparat aus der Hand.

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Eigentlich wollen wir gar nicht nach Flam, dem kleinen Ort am Ende des Fjords, fahren. Doch auf der Suche nach einem geeigneten Übernachtungsplatz fahren wir doch in diese Richtung. Und hier liegt sie. Ragt aus dem Nichts auf. 345 m lang, 3.000 Passagiere an Bord… die QUEEN MARY !!

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Wir können unser Glück gar nicht fassen. Die Queen Mary zu sehen ist wie ein Sechser im Lotto. Ein doppelter Sechser, wie wir am nächsten Tag im Visitor Center erfahren. Sie war nämlich noch nie da. Noch nie! Und wir haben das große Glück, dieses wohl schönste und bekannteste Kreuzfahrtschiff der Welt live zu erleben. Und damit sie sich von allen Seiten zeigen kann, verlässt sie – extra für uns – den Hafen, macht ihr Wendemanöver, und verlässt majestätisch den Fjord. Zurück bleiben viele offene Münder.

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Wir verlassen Flam Richtung Myrdal. Diese Strecke fährt auch die berühmte Eisenbahn, die Flamsbana. Es ist schon spät, wir sehen keine Autos, aber gefühlte 1.328 wild gewordene Radfahrer, die uns von oben entgegenkommen. Erst später erfahren wir, dass es ein ganz besonderer Adrenalinkick sein soll, mit der Bahn hinaufzufahren und mit dem Radl hinunterzuschießen. Nur blöd, wenn man nicht Radfahren kann, so wie die vielen Inder und Japaner, die uns wackelnd entgegen schießen. Wir sind froh, dass keiner von ihnen auf unserer Kühlerhaube landet.

Flam ist ein netter bunter Ort, von dem man jedoch nichts sieht, wenn ein Kreuzfahrtschiff anlegt und die Passagiere die vielen Souvenirshops überrennen. Heute ist Sonntag, es ist noch früh, und wir nutzen die Gelegenheit, den leeren Ort und das sehr interessante Eisenbahnmuseum zu besichtigen.

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Eigentlich haben wir ganz andere Pläne zur Weiterreise, aber irgendwie geht uns der längste Tunnel der Welt nicht aus dem Kopf. Und so ändern wir kurzerhand unsere Reiseroute und fahren von Aurland durch den Laerdalstunnel wieder zurück nach Laerdal, von wo wir gestern unsere Fahrt über die Berge gestartet sind.

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Der mit 24,5 km längste Straßentunnel der Welt (vorher war es der St.-Gotthard-Tunnel) wurde im Jahre 2000 nach nur vier Jahren Bauzeit eingeweiht. Vielleicht sollte man die norwegischen Tunnelbauer mal mit den Berliner Flughafenbauern zusammen bringen!

Die Fahrt durch den Tunnel wird durch drei blau erleuchtete Kuppeln unterbrochen, damit es nicht zu eintönig wird:

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Ein tolles Erlebnis. Wir können gar nicht glauben, dass wir keine Maut bezahlen müssen. Für die spektakulären Passstraßen übrigens auch nicht. Man kann über die norwegischen Preise sagen, was man will, aber in keinem Land der Welt mussten wir so wenig Straßengebühren für so gute und beeindruckende Straßen zahlen.

Gleich hinter dem Tunnel wartet der Königsweg auf uns, eine uralte, mit Gras überwachsene Straße. Wir lassen das Auto stehen und machen uns zu Fuß auf diesen historischen Wanderweg:

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Bereits nach einigen Kilometern kommen wir zum berühmtesten und spektakulärsten Teil des Königswegs, der Vinhella, einer steilen Serpentinenstraße.

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Wir wandern und wandern, immer auf weichem grünen Gras…

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…  bis wir plötzlich vor der Stabkirche von Borgund stehen.

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Die Kirche wurde 1150 erbaut, nie umgebaut, nie erweitert und gilt deshalb als Prototyp der norwegischen Stabkirchen. Von Borgund führt uns unsere Wanderung zurück über die Vinhella.

Nächstes Ziel ist Lillehammer, die Stadt der Olympischen Winterspiele 1994.



Fotos und Koordinaten all unserer Stellplätze in der Infobox links unter – unsere Stellplätze ……

Unsere Strecke vom Ottafluss zum Dokkafluss – 707 km

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Gesamtstrecke von München bis jetzt: 10.816 km

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Blog erstellt am 29.08.2017 in der Nähe von Lillehammer.