Nach genau sechs Wochen nördlich des Polarkreises verlassen wir den hohen Norden Norwegens und überqueren am 10. August bei Mo i Rana die magische Grenze in südlicher Richtung.
Ein Denkmal markiert ganz genau den Polarkreis auf 66°33’. Hier liegen noch Schneereste und es ist ungemütlich kalt. Gut für uns, denn sonst würde man vor lauter Touristen dieses Denkmal gar nicht sehen:
Von unseren Lesern werden wir oft beneidet um das “schöne, sonnige Wetter in Norwegen”. Und das, wo wir doch immer über Regen jammern. Ganz einfach: wir machen meistens nur an den (wenigen) Sonnentagen Fotos bzw. man tendiert beim Blog Schreiben dazu, nur die schönen Fotos einzustellen, die mit dem blauen Himmel. Dieser alte Bauerntrick funktioniert nun leider nicht mehr, denn heute, am 21. August, sind es genau zwei Wochen, dass wir auf diesen blauen Himmel und ein bisschen Sonne warten…
Auch als wir Nord-Norwegen offiziell hinter uns lassen, regnet es in Strömen. Da kann es in Südnorwegen doch nur besser werden!
Den Traum, die berühmte Küstenstraße 17 zu fahren, haben wir wegen des Wetters längst begraben. Aber auch auf der Hauptverkehrsstraße, der E6, gibt es viel zu sehen, und wir finden immer mal wieder einen Nationalpark links und rechts der Straße, wo wir uns die Beine ein bisschen vertreten können. Die Suche nach einem relativ trockenen Übernachtungsplatz wird allerdings immer schwieriger und somit unsere Platzwahl immer abenteuerlicher. Hier stehen wir in der Nähe von Stiklestad mitten in einem Steinbruch:
Es ist Samstag Abend und in Stiklestad findet ein großes Dorffest statt. Klar, dass uns die ganze Nacht knatternde Autos und auffrisierte Mofas beschallen. Der Steinbruch wirkt wie ein Amphitheater, und so mag der Lärm kaum verhallen, auch wenn die Fahrzeuge längst durch sind.
Von Stiklestad ist es nicht mehr weit bis Trondheim. Trondheim ist die größte und wichtigste Stadt Mittelnorwegens. Hier verengt sich Norwegen zu einem schmalen Streifen zwischen der schwedischen Grenze und der Küste. Trondheim ist fußgängerfreundlich, und wir können die Stadt fast komplett zu Fuß erkunden. Das typische Trondheimfoto - die historischen Speicherhäuser am Fluss:
Der Nidarosdom ist das bedeutendste sakrale Bauwerk Norwegens:
Südlich von Trondheim machen wir einen Abstecher durch das spektakuläre Sunndal. Dieses beginnt in Oppdal, mitten in Norwegens größtem alpinen Skigebiet mit Skiliften soweit das Auge reicht. Dieses wirklich beeindruckende Tal zwischen Oppdal und Sunndalsora ist einer der lawinenreichsten Landstriche Norwegens. Hohe steile und schroffe Berge links und rechts des Flusses Driva, eines der fischreichsten Flüsse des Landes.
In den letzten hundert Jahren gab es hier etliche Lawinentote, und daher bauen die Bauern ihre Gehöfte so dicht an die Felswand, dass abgehende Lawinen einfach über sie hinwegrauschen können. Auch die Kirche von Romfo wurde einst Opfer der Lawinen. Die “neue”, kleinere Kirche hat aber schon 150 Jahre ohne Katastrophe überlebt:
An diesem Nachmittag haben wir Glück und bei unserer Ankunft auf einem schönen Waldplatz scheint sogar die Sonne. Da dies so selten passiert, nützen wir die Regenpause, um einfach mal das Auto zu putzen und zu trocknen. Denn bei dem vielen Regen wird langsam alles feucht, und eine leichte Duftnote ist nicht zu überriechen – Marke “feuchter Hund”.
Kristiansund – man nennt es auch oft “Kristiansund N”, um es vom südlich gelegenen “Kristiansand S” zu unterscheiden – war bis 1992 nur per Schiff oder Flugzeug zu erreichen. Jetzt gelangt man durch einen 5090 Meter langen Tunnel unter dem Freifjord nach Kristiansund, den am tiefsten abgesenkten Tunnel des Landes. Die Stadt erstreckt sich über drei durch Brücken verbundene Inseln.
Wir parken am Handelshuset Patrick Volckmar und erkunden zu Fuß die Hauptinsel Kirkelandet.
Die Kirkeland Kirche wurde 1964 erbaut und gilt als Norwegens kahlstes Kirchengebäude. Wir müssen erst mal suchen, denn von der Ferne sieht sie eher aus wie ein modernes Hotel. Trotz ihrer gewagten Architektur und der Schmucklosigkeit im Innern gefällt sie uns sehr gut.
Gleich hinter Kristiansund erwartet uns das nächste Highlight unserer Reise, der Atlanterhavsvegen, die Atlantikstraße.
In der Nacht hat es noch geregnet, aber als wir am Morgen aus dem Fenster schauen, sehen wir einen dünnen blauen Streifen am Horizont. Wir schlingen das Frühstücksmüsli schnell herunter und kommen gerade rechtzeitig an, um diese Traumstraße, die zu den schönsten Autostrecken der Welt zählt, bei recht gutem Wetter zu befahren.
Die Atlantikstraße ist nur 8,2 Kilometer lang, verläuft zwischen Vevang und Karvag und liegt ca. 30 Kilometer südlich von Kristiansund. Zwölf Brücken verbinden die Inseln und kleinen Schären miteinander:
Immer wieder gibt es Rastplätze, von denen aus schön angelegte Stege auf die Inseln hinausführen:
Wir fahren insgesamt sechs Mal über den Atlantikweg, und genießen jedes Mal neue Ausblicke auf die schöne Schärenlandschaft:
Zu guter Letzt finden wir sogar noch eine Küstenwanderung in der Nähe des Atlantikwegs bei Farstad. Über einen wunderschönen Sandstrand geht es immer an der Küste entlang bis zu einem einsamen Leuchtturm. Diese Sanddünen sind angeblich die nördlichsten Sanddünen der Welt. Wir glauben das allerdings nicht, denn viel nördlicher, in Bleik auf den Vesteralen, haben wir genauso schöne Sanddünen gefunden.
Was hier so friedlich aussieht, ist die berühmt-berüchtigte Hustadvika, eine der gefürchtetsten und rauesten Buchten Norwegens. Auch uns bläst es fast weg und so treten wir ganz schnell unseren Rückweg an.
Hier in Mittelnorwegen jagt ein Besuchermagnet den anderen. Kaum ein Norwegen-Reisender lässt die Trollstigen aus.
Der Trollweg ist die berühmteste aller nordischen Bergstraßen. “Achtung Trolle” warnt ein Schild am Eingang.
Die Trollstigen winden sich in elf schwindelerregenden Haarnadelkurven an einer fast senkrechten Felswand 800 Höhenmeter nach oben. Nichts für schwache Nerven oder Reisebusfahrer mit schwachen Nerven. Die armen Hunde müssen in den engen Kurven oft noch hin- und herrangieren:
Auch für uns als geübte Alpenpass-Fahrer ist die Fahrt ein Erlebnis und eine Herausforderung zugleich, und Fahrer und Beifahrer noch mehr sind erleichtert, als wir oben auf der Aussichtsplattform ankommen. Von hier sieht man die schwindelerregende Passstraße in ihrer ganzen Schönheit:
Wir mischen uns unter die Touristen aus aller Welt und begeben uns mit der Karawane hinaus auf die Aussichtskanzel.
Hier ist der Nervenkitzel noch nicht zu Ende und so manchem nicht schwindelfreien Japaner schlottern die Knie auf der frei hängenden Aussichtsplattform. Von hier bietet sich ein spektakulärer Blick auf den Straßenverlauf in der Steilwand.
Hinter und unter diesem Geländer ist einfach nur nichts.
Schwindliges Selfie – bloß nicht das Handy fallen lassen…
In einem modernen schwarzen Beton-Glas-Gebäude treffen sich alle Kreuzfahrer zum Mittagessen und alle anderen Touristen zum Souvenirkauf.
Wir sind begeistert von der Straße, den Aussichtsplattformen und der ganzen Rastanlage. Und alles for free!
Auch die Weiterfahrt hinunter von den Trollstigen nach Valldal ist landschaftlich einmalig. Von Valldal geht es mal wieder mit der Fähre weiter…
… und gleich zum nächsten Highlight, das kein Reisender auslässt, dem Geiranger Fjord.
Auch hier gibt es eine schöne Aussichtsplattform, den “Adlerblick”.
Von hier hat man einen atemberaubenden Blick über die steilen Felswände und die vielen berühmten Wasserfälle, allen voran die “sieben Schwestern”.
In diesen mächtigen und gleichzeitig schmalen Fjord wagen sich jedes Jahr über hundert Kreuzfahrtschiffe, darunter auch echte Ozeanriesen wie die “Queen Mary II”. Die gibt sich heute leider nicht die Ehre, aber wir haben Glück und sind genau da, als ein Schiff der Hurtigrute einfährt…
… bevor sie im Hafen des kleinen Touristenortes Geiranger vor Anker geht.
Von der Passhöhe aus unternehmen wir noch eine schöne Wanderung und können uns an dem atemberaubenden Blick in den Geirangerfjord gar nicht satt sehen. Und oben auf dem Pass verbringen wir auch eine kalte und sehr nasse Nacht. Am nächsten Tag dann die Weiterfahrt und der Blick auf den Fjord von der anderen Passstraße, nämlich der, die nach Süden hinaufführt. In Geiranger entdecken wir übrigens unter Tausenden von Menschen und Wohnmobilen den blauen Expeditionstruck von Angelika und Peter. Sie haben wir an Weihnachten 2015 in Feuerland kennen gelernt. Wie klein die Welt doch ist!
Das obligatorische Kreuzfahrtschiff liegt im Hafen, die Hurtigrute kommt heute jedoch leider nicht. Die hängt mit Maschinenschaden in Alesund fest. Auch hier, vom Flydalsjuvet, hat man einen wunderbaren Blick hinab und sieht nochmal von der anderen Seite den Aussichtspunkt und die Passstraße vom Vortag.
Wir setzen unsere Reise in südlicher Richtung fort und sind ganz hin und weg von der herrlichen Berglandschaft, die hier auf uns wartet. Jotunheimen heißt unser nächstes Ziel, die wohl schönste Bergregion Norwegens. Doch heute ist es schon spät und wir machen es uns am rauschenden Fluss Otta gemütlich.
Ein One Million Dollar Stellplatz ganz alleine, direkt über den Stromschnellen. Laut ist es hier, das Wasser rauscht und wir müssen uns anschreien. Oder still sein und die Ruhe genießen…
Wir bleiben hier übrigens drei Nächte, denn Tag zwei ist buchstäblich ins Wasser gefallen. Regen von morgens bis abends! Wir sitzen den ganzen Tag im Auto und wechseln alle zwei Stunden die Sitze, mehr Abwechslung ist nicht möglich. Unser Reiseführer schreibt, dass das Ottadal mit nur 270 mm Jahresniederschlag als die “Sahara des Nordens” gilt! Gut und schön, aber diese 270 mm müssten ja nicht grade am 20. August fallen, wenn wir da sind!
Heute, am 21. August, werden wir mit etwas Sonne und einer schönen Wanderung zum Pollvoss (Poll-Wasserfall) entschädigt.
Jetzt freuen wir uns auf den Jotunheimen Nationalpark mit hoffentlich Sonne und schönen Bergtouren.
Fotos und Koordinaten all unserer Stellplätze in der Infobox links unter – unsere Stellplätze ……
Unsere Strecke von Bodo nach Geiranger – 1.499 km
Gesamtstrecke von München bis jetzt: 10.109 km
Blog erstellt am 21.08.2017 an den rauschenden Stromschnellen des Otta-Flusses.
1 Kommentar:
Hallo aus München...
haben hier eine tolle Eiskaffee-Saison.
Habe mir den Fuss gezerrt und kann dadurch nicht soviel rumlaufen. Dafür ist das Getränk ein kleiner Trost.
Weiterhin Gute Fahrt und viel Spass
Eure
aaa+zzz
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