Am 1. August erreichen wir endlich die Lofoten – ein Highlight nicht nur unserer Reise, sondern eines jeden Norwegen-Reisenden.
Die Inselkette der Lofoten ist 170 Kilometer lang und besteht aus fünf Inseln und unglaublich schönen, bis zu 1.161 m hohen steilen Gipfeln, die von der Ferne wie eine einzige Wand aussehen. Daher der Name “Lofotenwand”. Dazwischen immer wieder weiße Sandstrände, idyllische Fischerorte und Fjorde mit türkisblauem, glasklarem Wasser. Wenn das Wetter mitspielt. Wir werden – wie zu erwarten – mit Regen, Sturm und grauen Wolken begrüßt. Ganze zwei Tage vergehen in diesem trüben Grau, bis wir endlich Licht am Horizont sehen.
Schnell, bevor das Wetter wieder umschlägt, machen wir uns auf, um die Highlights der Lofoten zu erkunden. Und beginnen gleich mit dem angeblich schönsten Ort der Lofoten, mit Nusfjord, das sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Muss auch wirklich schön sein, denn eine Schlange Autos wartet schon auf den letzten freien Parkplatz. Vom Parkplatz aus hat man dann auch schon einen schönen Blick auf den kleinen Fischerort:
Schön, okay, aber viiiiiiiiiiel zu touristisch! Um den Ort zu besuchen, muss man schon mal 50 NOK berappen. Nusfjord ist also kein ursprünglicher kleiner Fischerort, sondern ein Museumsdorf, zu dem Heerscharen von Besuchern pilgern. Eine Mischung aus Markus Wasmeier’s Bauernhofmuseum am Schliersee, Neuschwanstein und Schloss Linderhof. Unsere Begeisterung hält sich in Grenzen. Was man hier allerdings schön sehen kann, sind die meist rot angestrichenen Rorbuer, ehemalige Fischerhütten auf Stelzen, in denen früher die Fischer während der Winter-Fangsaison unter einfachen Bedingungen übernachteten.
Heute dienen die Rorbuer zum großen Teil als Touristenunterkünfte, eingerichtet von schlicht bis komfortabel.
Uns ist der Trubel hier zu groß und wir flüchten in den westlich gelegenen Nachbarfjord, den Skelfjord. Von hier aus gibt es eine schöne Küstenwanderung von Nesland nach Nusfjord.
Auf dem Rückweg nach Nesland sehen wir die beeindruckende Lofotwand, die übrigens erst ab der westlichen Hälfte, ab Leknes, so richtig spektakulär wird.
Und hier am Skelfjord finden wir auch einen wunderschönen Platz zum Übernachten. Es ist eigentlich nur eine Ausweichstelle auf der schmalen unbetonierten Straße über dem Fjord, aber hier stören wir höchstens die unzähligen Schafe, die hier grasen, und haben einen herrlichen Blick auf den Fjord und die Berge:
Bloß nicht nachts zur Toilette müssen! Sonst geht man in die Annalen der Lofoten ein – als Klippenspringer von Acapulco…
Der erste Blick am Morgen aus dem Schlafzimmerfenster ist einfach nur herrlich:
Heute trübt keine Wolke den stahlblauen Himmel, und wir wollen das schöne Wetter nutzen, um bis zum Endpunkt der Lofoten zu fahren. Die einzelnen Inseln sind über unzählige Brücken und Tunnelsysteme miteinander verbunden:
Fischkutter und Stelzenhäuser vor der schroffen Felskulisse wie hier in Hamnoya – so stellt man sich die Lofoten vor:
Hier im Südwesten, dem schönsten Teil der Lofoten, wird uns das ganze Ausmaß der Touristenströme bewusst. Jeder Parkplatz, jede noch so kleine Ausweichstelle ist von Wohnmobilen, Autos und Zelten belegt. An Raststätten wird übernachtet und Wäsche gewaschen. Wie hier in Reine müssen wir drei Kilometer vor dem Ort am Straßenrand parken und zu Fuß weitermarschieren. Aber der Fußmarsch lohnt sich. Reine ist ein wunderschöner Ort und wurde sogar für Legoland in Dänemark nachgebaut!
Hier kann man gut sehen, dass sich die Einwohner mit allen Mitteln gegen die Invasion der Touristen aus aller Welt wehren:
Wir wühlen uns durch die Blechkolonnen und erreichen schließlich A am Ende der Lofoten, das Dorf mit dem kürzesten Ortsnamen der Welt.
A heißt nicht “A… der Welt oder der Lofoten”, sondern das A mit dem kleinen Kringel obendrauf ist der letzte Buchstabe des norwegischen Alphabets und wird wie ein offenes O ausgesprochen. Angeblich hat der Ort diesen Namen, da jeder, der hier ankommt, vor lauter Begeisterung ein bewunderndes “Ohhh” ausruft. Und das hat er auch verdient:
Von der südwestlichen Landspitze in A geht es nur noch per Schiff weiter. Zu den beiden letzten Lofoteninseln Rost und Vaeroy.
Eigentlich hatten wir viel Zeit für die Lofoten eingeplant und wollten die eine oder andere Wanderung machen, aber schnell sehen wir, dass dies schwierig ist. Einen Parkplatz zu finden, ist fast unmöglich, denn auch wenn man sehr früh dran ist, sind die Plätze von Backpackern mit ihren Zelten belegt. Manche Raststätte verwandelt sich schnell in einen Campingplatz:
Die vielen Backpacker sind nicht immer gern gesehen. Dies liegt nicht nur an den Belagerungszuständen und den entsprechenden Hinterlassenschaften. Sie bevölkern auch die Touristeninformationen. Und so kommt es, dass wir in keinem Infocenter Internetzugang bekommen. Die Erklärung: “sonst würden wir von den Backpackern noch mehr überrannt werden”. Wie war das doch schön im hohen Norden, als wir in den jeweiligen Visitor Centern mit Internet, kostenlosen Straßenkarten und manchmal sogar mit Kaffee und Plätzchen beglückt wurden!
Nach einer weiteren Nacht auf unserem Traumplatz über den Klippen des Skelfjord wollen wir den Rest der Lofoten per Auto erkunden und uns dann langsam in ruhigere Gefilde zurückziehen.
Auf den Lofoten gibt es nicht nur Natur, sondern auch andere schöne Dinge, wie hier die Flakstad Kirke bei Ramberg aus dem Jahr 1783:
Die Zwiebelkuppel ist in diesen Breiten völlig ungewöhnlich, aber das Holz für den Kirchenbau soll angeblich von einem gestrandeten Frachter mit Bauholz aus Russland stammen – deshalb auch der Zwiebelturm.
In Storvagan steht die Vagan Kirke – eine der größten Holzkirchen Norwegens mit über 1.200 Sitzplätzen:
Henningsvaer ist eine kleine bunte Fischersiedlung und liegt auf mehreren Inseln, die mit Brücken verbunden sind. Wie auch schon in Reine, müssen wir einige Kilometer vor dem Ort parken, da sämtliche Parkplätze überfüllt sind. Ja, so kommt man doch zu seinen täglichen Wanderungen! Von den Brücken haben wir nochmal einen wunderschönen Blick auf die Lofotenwand im Südwesten:
Henningsvaer hat einen idyllischen Hafen, malerische Packhäuser und Speicher, dicht am Kai gedrängte Fischerhütten, Boote und Stelzenhäuser.
Und Sonne! Denn während wir hier auf der windgeschützten Südseite der Lofoten herrlich blauen Himmel genießen, drückt von Norden eine kalte Nebenwand herein:
Ja, das Wetter ist schon den zweiten Tag wunderschön. Und wenn es für unsere Verhältnisse schon etwas “herbstelt”, ist für die Norweger heute der Sommer ausgebrochen. Alles was ein Auto und eine Badehose besitzt, trifft sich heute zum Badetag:
Da es von diesen herrlichen Badebuchten wohl nicht viele gibt, ist die Straße mit parkenden Autos blockiert. Hinzu kommen die vielen Touristen, die diese Besonderheit – nämlich badende Norweger – fotografieren wollen. Wie wir. Aus Kanada und Alaska kennen wir solche Szenen nur, wenn grade ein Grizzlybär am Straßenrand auftaucht!
A propos Grizzly: überall wird vor Elchen gewarnt: “Stor elgfare” – “große Elchgefahr”. Wir haben noch keinen gesehen.
So gefährlich können diese Dinger auch nicht sein, wenn man sogar darauf reiten kann…
Wir genießen die Landschaft, vor allem wenn sie durch “no camping” Schilder unberührt ist:
Scheinbar nehmen die Horden wild gewordener Camper auf nichts Rücksicht. Sogar Helikopter Landeplätze müssen entsprechend markiert werden. “Camping forbudt” – “Camping verboten”.
Was die Fahrt über die Vesteralen und Lofoten übrigens zusätzlich reizvoll macht, ist die sogenannte Skulpturenlandschaft. Internationale Künstler stellen an verschiedenen Plätzen neben der Straße unterschiedlichste Kunstwerke auf, wie hier der überdimensionale Spiegel eines amerikanischen Künstlers:
Eine tolle Idee, vor allem an einem Tag wie heute. Wir blicken in den nebelgrauen Wald und sehen im Spiegel die Felsspitzen in der Sonne…
Svolvaer ist mit seinen 4.300 Einwohnern der größte Ort auf den Lofoten und wirtschaftliches und kulturelles Zentrum. Bei unserem Besuch vor drei Tagen hat es in Strömen geregnet, und außer einer völlig überfüllten Shoppingmall konnten wir nichts sehen. Heute haben wir mehr Glück, zumindest was das Wetter betrifft.
Heute ist Samstag, der 5. August, und ein großes “Folkefest” findet statt. Klar, dass alles, was ein Segelboot hat, im Hafen liegt. Teile des Ortes (natürlich genau die, wo wir hin wollen) sind abgesperrt. Trotzdem bekommen wir eine ungefähre Vorstellung, wie nett dieser Ort bei Sonnenschein und ohne Folkefest sein kann.
Nach vier Tagen, viel früher als geplant, verlassen wir die Lofoten. Unser Fazit: landschaftlich wunderschön, aber viel zu überlaufen. “Lofoten” ist übrigens altnorwegisch und heißt “Luchsfuß”. Für unseren Geschmack gibt es hier viel zu viele Luchsfüße, vor allem aus Italien und Frankreich, denn dort haben gerade die Ferien begonnen. Vielleicht ein Geheimtipp für nächstes Jahr: Sommerurlaub in Italien oder Frankreich – dort muss es gerade leer sein!
Von den Lofoten zu den Ofoten – so heißt die Gegend um Narvik, unser nächstes Ziel. Von hier aus wollen wir relativ zügig nach Süden fahren, denn es gibt im Süden Norwegens noch so viel zu erkunden. Außerdem vergisst man immer wieder, dass hier schon der Herbst angefangen hat. Viele Restaurants oder Hotels schließen bereits Anfang September. Jetzt müssen wir uns nur entscheiden, welche Route nach Süden wir einschlagen. Ob dieser Wegweiser in Narvik hier helfen kann?
Narvik ist nicht besonders schön. In der Schlacht um Narvik 1940 wurde die Stadt fast völlig zerstört. Fast alle Gebäude wurden nach dem Krieg errichtet und sind deshalb eher von der Funktionalität jener Zeit geprägt als von attraktiver Architektur. Was die Stadt trotzdem attraktiv macht, ist ihre Lage direkt am eisfreien Meer und die hohen schneebedeckten Berge rundherum.
Und was das Herz eines jeden Skifahrers höher schlagen lässt: auf über zehn Abfahrten kann man direkt in die Innenstadt wedeln. Das gibt es fast nirgendwo auf der Welt!
Auf unserer Weiterfahrt Richtung Süden werden wir immer wieder von wunderschönen Bergen mit glatt geschliffenen Granitwänden überrascht. Beinahe hinter jeden Kurve ein neues “Ahh”, “Ooh”, “Woww”. Höhepunkt im wahrsten Sinn des Wortes ist natürlich der Stetind, Norwegens Matterhorn.
Der Stetind ist eine 1.392 m hohe Bergsäule und gilt als größter und eindrucksvollster natürlicher Obelisk der Welt. Die Norweger haben ihn zu ihrem Nationalberg erklärt, so einmalig, so markant, so beeindruckend ist dieser wirklich tolle Berg. Seine Erstbesteigung gelang erst 1910, und auch heute ist der Gipfel den erfahrenen Kletterern vorbehalten. Diese haben schon ihre Zelte am Parkplatz aufgestellt.
Aber auch Normalos wie wir können den Stetind erklimmen, zumindest den Vorgipfel, und das nehmen wir uns natürlich für den nächsten Morgen vor. Eine Portion Spaghetti und einen herrlichen Übernachtungsplatz direkt am Fuße der schroffen, bis ins Meer abfallenden Nordostwand:
All das nützt nichts, wenn der Wettergott nicht mitspielt. Am nächsten Morgen regnet es. Adieu Stetind… aber als kleines Trostpflaster gibt es wenigstens einen schönen Regenbogen:
Wir setzen unsere Fahrt nach Süden auf der E6 fort, die übrigens – entgegen unserer Erwartungen – immer wieder ganz spektakuläre Landschaften, Berge und Nationalparks bietet. Auch hier gibt es viele Brücken und dazwischen mal wieder eine Fährverbindung. Wovon es natürlich am meisten gibt, sind Tunnel. Kurze, lange, und ganz lange:
Bald müssen wir uns entscheiden, ob wir die Fahrt auf der E6 fortsetzen oder die berühmte, wunderschöne Küstenstraße FV 17, den Kystriksveien, nehmen. Landschaftlich herrlich, aber das Wetter sollte mitspielen. Im Moment sagt der Wetterbericht für die nächsten 14 Tage Regen, Regen, Regen, Regen, Regen, Regen, Regen, Regen, Regen, Regen…
Fotos und Koordinaten all unserer Stellplätze in der Infobox links unter – unsere Stellplätze ……
Unsere Strecke über die Lofoten bis nach Bodo – 1.342 km
Gesamtstrecke von München bis jetzt: 8.610 km
Blog erstellt am 11.08.2017 im Regen bei Mo i Rana.
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