Über die Insel Senja sagen die Einheimischen: “Wer von den Lofoten schwärmt, hat Senja noch nicht gesehen”. Senja ist die zweitgrößte und angeblich vielseitigste Insel Norwegens. Das dürfen wir natürlich nicht auslassen.
Am 18. Juli nehmen wir die Fähre von Brensholmen, 60 Kilometer westlich von Tromsö, und setzen nach Botnhamn auf Senja über.
Am Rande ein praktischer Tipp für Norwegen-Reisende: es gibt eine App, “Troms Mobillett”. Wenn man das Ticket über diese App bucht, bezahlt man 30% weniger! Aber Achtung: möglichst erst kurz vor der Abfahrt lösen, denn das Ticket ist nur eine Stunde gültig. Wir wussten das nicht, und unser Ticket war längst ungültig, als wir auf die Fähre fuhren. Wir hatten aber Glück und wurden nicht kontrolliert:
Die Insel Senja hat zwei Gesichter: die Meeresseite im Norden ist rau und windig, und nur vereinzelt von Fischern bewohnt, die Festlandsseite im Süden lieblich und die Heimat vieler Bauern. Wir entscheiden uns für die landschaftlich schönere Nordseite. Leider spielt das Wetter mal wieder nicht mit, und in den vier Tagen unseres Senja-Aufenthaltes kann man die Sonnenstunden an den Fingern einer Hand abzählen.
Dabei bieten sich wirklich spektakuläre Ausblicke auf die Fjorde und die gezackten Bergspitzen wie hier am Bergsbotn:
So würde es bei Sonne aussehen, zumindest wirbt der Prospekt des Fremdenverkehrsvereins mit diesem Foto:
Auch hier am Tungeneset hat man einen praktischen Laufsteg gebaut, damit man möglichst nahe an den Fjord heran kommt:
Vom Ende des Laufstegs kann man noch weit über glattgeschliffene Felsen laufen…
… immer die markanten Felsspitzen im Blick:
So grau, nass, und manchmal trostlos das Wetter auch sein mag, wir finden immer schöne Plätze zum Übernachten, wie hier im Miniort Fjordgard. Am kostenlosen Stellplatz direkt am Fjord gibt es eine Grillstelle…
… mit einer gemütlichen Schutzhütte. Für kalte Tage ist gesorgt, man sitzt direkt auf warmen Rentierfellen und grillt das dazugehörige Tier auf dem Grill mitten in der Hütte:
Dazu noch eine sehr saubere Toilette – Camperherz was brauchst du mehr? Man beachte die Abspannung an beiden Seiten:
Es gibt hier so starke Winde (nicht in der Toilette, sondern außerhalb, wohlgemerkt), dass oft ganz Häuser abgespannt sind. Oder ist es in diesem Fall vielleicht doch eine Vorsorge gegen exzessiven Genuss von Bohnen- oder Linseneintopf?
Auch die Rastplätze links und rechts der Strecke bieten immer wieder schöne Grillstellen, mit sauberen Grills und ein paar Farbtupfern im sonst so eintönigen Grau der Landschaft.
Im Hintergrund übrigens der Segla Mountain, ein Hiking-Magnet der Insel. Als wir da sind, ist leider an eine Besteigung nicht zu denken. Bereits auf den ersten Metern sinken wir bis zu den Knöcheln im nassen Boden ein, vom Wasser von oben ganz zu schweigen.
Wie um sich ganz zum Schluss doch noch schnell einzuschmeicheln, zeigt sich die Insel Senja an unserem letzten Tag – wenn auch kurz – von ihrer Sonnenseite. In Skaland finden wir einen herrlichen einsamen Strand zum Spazierengehen und Übernachten:
Uns gefällt Senja ausgesprochen gut, und man könnte locker noch ein paar Tage bleiben und wandern, aber wenn das Wetter halt nicht so mitspielt…
Am 22. Juli nehmen wir die Fähre von Gryllefjord nach Andenes an der Nordspitze der Vesteralen, der Inselgruppe nördlich der Lofoten. Es ist Samstag und die 11:00 h Fähre die erste des Tages. Wir übernachten direkt am Gryllefjord auf einer Passstraße und sind bereits um 08:30 h an der Fähre, damit wir auch ja mitkommen. Wäre nicht nötig gewesen, denn auch kurz vor der Abfahrt sind nur wenige Autos da.
Als wir von der Fähre nach Senja zurückblicken, erstrahlt die Insel im schönsten Sonnenschein – ja, so hätte es die letzten vier Tage sein können!
Wir genießen die zweistündige Überfahrt bei herrlichstem Wetter und kaum Wind.
Als wir uns Andenes nähern, begleiten uns immer wieder Scharen von Papageientauchern, die hier heimisch sind.
Die Vesteralen sind nicht so bekannt und landschaftlich nicht ganz so spektakulär wie die Lofoten, aber dafür auch nicht so überlaufen wie ihre berühmten Nachbarn. Says who? Unser Reiseführer. Der war wohl schon länger nicht mehr hier, denn der erste Campingplatz spricht das Gegenteil:
Wir finden zum Glück einen ruhigen und einsamen Platz direkt über dem Strand von Bleik, dem schönsten und längsten Sandstrand Norwegens:
Während wir bei unserer Ankunft in Andenes, dem Hauptort der Insel Andoya, noch im dicken Nebel herum stochern, erstrahlt der Strand von Bleik, gleich um die Ecke, in schönstem Sonnenlicht. Klar – gleich mal einen Strandspaziergang! Immer im Blickfeld die kleine Insel Bleiksoya, größtes Fischadlerrevier Europas und Heimat von Tausenden von Papageientauchern.
Der kleine bunte Fischerort Bleik – ein echtes Postkartenmotiv:
“Pack die Badehose ein…” Ja, das tun wir tatsächlich, wir sind so ausgehungert nach Sonne, Strand und Baden. Aber das mit dem Baden lassen wir lieber sein. Die 13°C Wassertemperatur würden wir ja noch heldenhaft wegstecken (ha ha), aber zu viele ungebetene Badegäste sind bereits vor uns da. Hier ein besonderes Exemplar der Gattung “Quallus Monstrosus Igittus”:
Für das Abendessen ist schon mal gesorgt…
Selten haben wir so viele Monsterquallen gesehen, und selbst unser Strandspaziergang wird zum Spießrutenlauf.
Die Nacht vom 22. auf den 23. Juli ist eine ganz besondere: gestern war die letzte Mitternachtssonne und heute Nacht geht zum ersten Mal seit zwei Monaten die Sonne wieder unter. Laut GPS um 00:19 Uhr. Das wollen wir natürlich miterleben, und unser Stellplatz mit Blick auf das Meer bietet sich dafür an. Wir warten und warten, aber so richtig geht die Sonne nicht unter, sie berührt lediglich den Horizont und wandert von links nach rechts, bevor sie um 01:45 h wieder aufgeht. Trotzdem ein Spektakel, zu dem sich viele Menschen am Strand versammeln oder sogar am benachbarten Golfplatz mitten in der Nacht Golf spielen.
23:55 Uhr:
00:19 Uhr:
00:42 Uhr:
01:00 Uhr:
Ein beeindruckendes Schauspiel! Die Einheimischen “feiern” diese Nacht mit etwas Wehmut, denn in nur vier Monaten beginnen schon die Polarnächte, in denen die Sonne für mehrere Monate nicht aufgeht!
Am nächsten Morgen sind wir noch etwas müde von der kurzen Nacht, aber der Berg ruft, und mit dem Radl geht’s zum Wandern:
Gleich hinter Bleik, in einer wunderschönen Bucht, beginnt der Aufstieg zum Matinde. Mit jedem Höhenmeter öffnet sich der Blick auf den weißen Sandstrand, die kleinen Seen und die umliegenden Berge:
Es ist Sonntag, Traumwetter, und wir sind überrascht, dass nicht Heerscharen von Wanderern auf dem Weg sind. Dafür umso mehr Fliegen, die uns den Aufstieg und das Leben so richtig schwer machen. Am Gipfel sind wir fast alleine und genießen den Blick auf’s Meer und die kleine Vogelinsel Bleiksoya:
Schöner geht’s nicht:
Bei den folgenden beiden Fotos ist nicht ganz klar, wer mehr gezittert hat: der Bergsteiger oder der Fotograf:
Am nächsten Tag ist wieder Radfahren angesagt. Wir radeln nach Andenes, das wir bei unserer Ankunft am Samstag nur im dicken Nebel erlebt haben. Heute ragt der 40 Meter hohe Leuchtturm ungetrübt in den blauen Himmel:
Andenes ist auch ein guter Versorgungsort, und wir erledigen mehrere Dinge. Endlich erwerben wir das wichtigste Accessoire eines Norwegen-Reisenden: einen “nokkel til vannkrane”. Dieser Vierkantschlüssel für Wasserhähne sollte in keinem Reisegepäck fehlen. Denn man bekommt überall kostenlos Wasser, nur fehlt oft der Schlüssel, um den Wasserhahn zu öffnen:
Seit wir stolze Besitzer unseres kleinen “nokkel” sind, ist es kein Problem mehr, an allen erdenklichen Häfen oder Rastplätzen Wasser zu tanken.
Auf unserer Weiterfahrt nach Süden machen wir immer wieder kleine Stopps, um uns die Beine zu vertreten. Wanderwege gibt es genügend:
Immer wieder freuen wir uns, wenn wir – zufällig oder geplant – eines der zwölf Schiffe der Hurtigruten-Flotte sehen. Hier in Sortland parken wir gerade am Hafen, als die MS Richard With eintrifft:
Von Sortland, dem Hauptort der Vesteralen-Insel Langoya und dem kommerziellen Zentrum der Region, fahren wir nach Westen, um noch mehr Facetten der Inselgruppe zu erkunden. Die Region Bo hat es uns dabei besonders angetan. Immer wieder sehen wir die typischen roten Häuser mit den grasbewachsenen Dächern. Sieht richtig nett aus und dient der guten Isolierung. Aber was würde unsere Baubehörde dazu sagen?
In Bo unternehmen wir eine herrliche Wanderung von Straume aus. Über eine Skipiste geht’s direkt hinauf auf den Veggfjellet.
Vom Veggfjellet haben wir einen 360° Blick über die Inseln. Dahinter kommt irgendwann nur noch Grönland.
Über eine wunderschöne Gratwanderung erreichen wir den nächsten Gipfel, den Skredtinden. Von hier sehen wir am Horizont die gesamte Gipfelkette der Lofoten.
Sieht alles wunderschön aus, aber was man nicht sieht, sind die Schwärme von Fliegen, die es einem absolut unmöglich machen, auch nur eine Minute zu rasten. Hinter der Brille, in den Augen, Nase, Ohren, Mund, so etwas haben wir noch nie erlebt. Dabei haben wir doch grade erst gestern geduscht! Wir sind fünf Stunden unterwegs, ohne Rasten, ohne Trinken, ohne Stehenbleiben. Aber zumindest stechen die Biester nicht!
Da diese Wanderung nicht zu toppen ist, und um uns den lästigen Fliegen nicht nochmal auszusetzen, unternehmen wir am nächsten Tag eine Küstenwanderung. Wir starten in Straumsjoen, einem malerischen kleinen Fischerdorf:
Von hier laufen wir Kilometer um Kilometer an der Küste entlang, teilweise auf gut markiertem Weg, teilweise über Felsen oder dichtes Gestrüpp und durch Felder von Moltebeeren.
Wir genießen die schöne Wanderung, aber so ganz ohne Höhenmeter ist Thomas nicht glücklich. Wenn schon kein Gipfel in der Nähe ist, dann besteigt man eben mal schnell einen Leuchtturm:
Schon seit längerer Zeit zermartern wir uns den Kopf, wie wir das Problem “Wäsche waschen in Norwegen” wohl lösen können. Es gibt in diesem Land keine Waschsalons, und die Gebirgsbäche sind mit ihren gefühlten 0°C eher eine Mutprobe. Manche Campingplätze haben Waschmaschinen, aber nur für Gäste, außerdem muss man oft tagelang warten, um zum Zug bzw. zur Maschine zu kommen. Nachdem uns aber langsam die Wäsche ausgeht, ist es wie ein Sechser im Lotto, dass wir Thore kennenlernen, einen sehr sympathischen älteren Norweger, der uns an seinem Mini-Campingplatz waschen lässt. Danke, Thore!
Es ist schon Abend, als wir die Wäsche an unserem Platz direkt am Meer aufhängen, aber da die Sonne noch immer fast die ganze Nacht scheint, ist am nächsten Morgen alles trocken.
Nach zwei Tagen in der Natur und weil wir endlich zu den Lofoten wollen, zieht es uns zurück in die Zivilisation. In Stokmarknes haben wir wieder großes Glück und können sehen, wie ein Schiff der Hurtigrute, die Kong Harald, im Hafen einläuft:
Morgen soll das Wetter umschlagen, umso mehr genießen wir den Blick auf die schneebedeckten Berge im Hintergrund, wie hier den Moysalen, den höchsten Berg der Vesteralen:
Schnee liegt nicht nur auf den Bergen, sondern auch in der Luft. Bald kommt der Winter! Die Norweger haben schon ihre Fahrräder gegen Langlaufskier getauscht! Ist denn schon wieder Weihnachten?
Nach zehn Tagen Vesteralen nehmen wir jetzt Kurs auf die Lofoten. Nur noch 49 Kilometer trennen uns von der berühmten Inselkette mit ihren atemberaubenden Gipfeln.
Aber halt – kurz bevor die Lofoten beginnen, machen wir noch einen Abstecher nach links in den Trollfjord. Der Trollfjord stellt die Trennungslinie zwischen Vesteralen und Lofoten dar und ist einer der bekanntesten Fjorde Norwegens. Vor allem für Hurtigruten-Fans. Denn hier ist die engste Stelle, die so ein Dampfer passieren und sich zwischen 1000 Meter hohen Felswänden hindurchschlängeln muss.
Als eingefleischte Fans der schwarz-weiß-roten Flotte haben wir inzwischen die Pläne im Kopf und wissen genau, wann wir uns positionieren müssen. Die Wartezeit verkürzen wir uns mit einer schönen Wanderung in der Nähe von Digermulen. Von hier aus sehen wir in der Ferne die Gebirgskette um Narvik und den berühmten Stetind.
Pünktlich nach Fahrplan trifft auch die Hurtigrute ein, diesmal die “Midnatsol”, die wir schon in Tromsö angetroffen haben:
Und mit diesem Foto vom Trollfjord und dem herrlichen Blick auf die Lofoten verabschieden wir uns von den Vesteralen. Beim nächsten Mal dann unsere Abenteuer auf den Lofoten.
Fotos und Koordinaten all unserer Stellplätze in der Infobox links unter – unsere Stellplätze ……
Unsere Strecke über die Insel Senja und die Vesteralen – 925 km
Gesamtstrecke von München bis jetzt: 7.268 km
Blog erstellt am 31.07.2017 am Trollfjord auf den Vesteralen
1 Kommentar:
hallo Claudia u Thomas von den Themperaturen abgesehen ist es ganz toll im hohen Norden. Könnt Ihr überhaupt mal ins Wasser? Und nachts im Bulli klappern da nicht die Zähne?
Bleibt gesund. LG Edu u Gabi
Haben gerade mit Wolfgang tel. habe Ihm nochmal euere Blogg-Adresse gegeben.
Kommentar veröffentlichen