Eigentlich wollten wir unsere Reise im Uhrzeigersinn machen, d.h. an der norwegischen Küste zum Nordkap und durch Schweden wieder zurück. Da wir aber mehr und mehr Reisende treffen, die genau dieselben Pläne haben, ändern wir unsere Route spontan nach dem Motto “Wer der Herde folgt, sieht nur Ärsche”. Wir verlassen also die Herde und werden dem Bottnischen Meerbusen nach Norden folgen, Finnland durchqueren und – wenn alles gut geht – an der norwegisch/russischen Grenze auf die Barentssee stoßen.
Da Thomas alle nur erdenklichen Rother Wanderführer von Skandinavien erstanden hat, finden wir auf der Strecke immer mal wieder Möglichkeiten, uns bei einer kleinen Wanderung die Beine zu vertreten, wie hier in der Nähe von Härnösand:
Auf einer Halbinsel führt uns der nette Wanderweg auf einen kleinen Gipfel, von dem aus wir einen tollen Blick über die Ostsee mit ihren Schäreninseln genießen.
Wieder unten, erwartet uns ein kleiner, aber feiner Sandstrand, wo wir uns die müden Beine erfrischen können. Brrrrr… ist das kalt!!
Die Straße nach Norden führt immer wieder über beeindruckende Brücken. Für manche muss man bezahlen, wobei man hierzu von einer Kamera gefilmt, der Halter des Autos ermittelt, und einem die Rechnung nach Hause geschickt wird. Ob das mal keine böse Überraschung am Urlaubsende gibt!?
Die Gegend wird immer einsamer. Man fährt kilometerweit, ohne eine Menschenseele zu sehen. Oft zeugen nur bunte Briefkästen am Straßenrand von einer versteckten kleinen Häusersiedlung:
Wir finden immer wieder schön gelegene Übernachtungsplätze im Wald oder am Meer. Oder wie hier an der Bergstation eines Skigebietes:
Wobei “Skigebiet” hier leicht übertrieben ist. Es gibt nur einen einzigen Skilift und die Bergstation liegt auf schwindelerregenden 130 Hm. Ob hier Ingemar Stenmark trainiert hat? So klein das Skigebiet ist, es ist mit einer Flutlichtanlage ausgestattet. Das muss sein, denn im Winter wird es drei Monate lang kaum hell. Und so sind auch die Autos hier oben mit leuchtstarken Scheinwerfern ausgestattet:
Inzwischen wird es nachts nicht mehr dunkel, das Schlafen bereitet immer mehr Probleme. Aber wir genießen die langen Tage. Dunkler als auf diesen abendlichen Fotos wird es nicht mehr:
Je weiter wir nach Norden kommen, desto öfter wird vor Wildwechsel gewarnt. Aber bis jetzt haben wir nur einen großen Elch am Straßenrand gesehen.
An der nördlichsten Spitze des Bottnischen Meerbusens überqueren wir am 29. Juni bei Tornio die Grenze zu Finnland.
Wir fühlen uns hier sofort wohl. Endlich können wir wieder mit Euro bezahlen. Und mein einst mühsam erlerntes Finnisch, von dem ich dachte, es hätte sich auf den berühmten (und lebensnotwendigen) Satz reduziert “bitte wechseln Sie meine Zündkerzen und stutzen Sie meinen Schnurrbart” kommt erstaunlich schnell wieder an die Oberfläche. Schade, dass wir nicht länger hier bleiben!
Kurz hinter Rovaniemi überqueren wir den Polarkreis. Was für ein Zirkus! Es gibt ein ganzes “Santa Claus Village”, in dem man zwischen wild gewordenen Touristen aus aller Welt die berühmte Linie suchen muss. Im Weihnachtsdorf bastelt der Weihnachtsmann das ganze Jahr über Geschenke, es gibt ein Weihnachtsmann-Postamt, Souvenirläden, einen Spaßpark mit Multimediashow und natürlich einen Weihnachtsmarkt. Ob Flipflop oder Gesundheitsschuh, jeder muss ein Foto von seinem Fuß auf der Linie machen, und wir warten lange, bis wir die berühmte Polarkreis-Linie ohne Touristen fotografieren können:
Mit Wehmut denken wir an unsere Polarkreisüberquerung vor drei Jahren in Alaska am Dalton Highway. Dort mussten wir an der schlichten Steintafel 30 Minuten warten, bis endlich ein Ehepaar kam, um von uns ein Foto zu machen…
Gerne lassen wir die riesengroßen Touristenbusse hinter uns. Die wollen so schnell es geht, zum Nordkap und dann wieder nach Hause. Schrecklich! Wir genießen die finnische Einsamkeit, wobei uns jetzt unser Navi im Stich lässt, denn es kommt mit den 24-Stunden-Tagen ganz schön ins Trudeln.
Finnland scheint wirklich nur aus Seen und Wäldern zu bestehen.
Jetzt sind wir im tiefsten Lappland, dort, wo man eigentlich um diese Jahreszeit nicht sein sollte. Denn die Mückenplage muss hier ein Horror sein. Wir sind jedoch bis jetzt noch relativ verschont geblieben. Lediglich die Morgen- und Abendtoilette müssen wir etwas schneller verrichten als sonst.
Wie auch schon in Schweden, sind auch hier in Finnland die Straßenverhältnisse optimal. Trotzdem muss man vorsichtig fahren, denn immer öfter sehen wir am Straßenrand Rentiere:
Oft überqueren sie auch – ohne sich an jegliche Verkehrsregel zu halten – die Straße:
In Tankavaara machen wir einen Zwischenstopp im Nationalpark Urho Kekkonen. Im sehr schön ausgestatteten Visitor Center bekommen wir viele Informationen über die Gegend und sehen einen sehr interessanten Film. Von hier aus gibt es nette Wanderwege, was uns natürlich bei den vielen zurückgelegten Autokilometern sehr freut.
Vom Gipfel mit seinem Aussichtsturm haben wir einen grandiosen Blick über die endlose Weite der Finnischen Wälder:
Die Wanderung führt durch weite Sumpfgebiete, die dank der extra angelegten Bretterwege gut zu durchqueren sind. Und das Beste – keine Mücken!!
Unterwegs findet man immer wieder schöne Grillplätze mit Schutzhütten für den müden Wanderer:
Und damit man sich sein Rentier auch grillen kann, gibt es jede Menge Holz – nicht vor, aber in der Hütte.
Wir erreichen den drittgrößten finnischen See, den Inari, der in einer der faszinierendsten Landschaften Lapplands liegt. Der Inari ist doppelt so groß wie der Bodensee und hat sage und schreibe 3000 Inseln. Leider ist das Nordufer sumpfig und unzugänglich, so dass wir nur ab und zu einen Blick auf den See erhaschen können:
Menschen haben wir schon lang keine mehr gesehen, Moskitos schon mehr, und die Rentiere am Straßenrand werden zu unseren stetigen Begleitern:
Am 1. Juli ist es dann so weit: wir erreichen Norwegen, das eigentliche Ziel unserer Reise. Nach drei Wochen Deutschland, Dänemark, Schweden und Finnland haben wir es geschafft. Norway – here we are!
Gleich hinter der Grenze erwartet uns der erste Fjord – der berühmte Varangerfjord:
Wir erreichen Kirkenes an der Barentssee, End- und Wendepunkt der Hurtigrouten. Und wir haben ungeahntes Glück. Als wir um 12:15 h ankommen, macht sich ein Schiff der Hurtigrouten gerade fertig zum Auslaufen.
Hier in Kirkenes inspizieren wir auch gleich unseren ersten norwegischen Supermarkt “Rema 1000”. Und wir sind angenehm überrascht. So teuer, wie man uns immer wieder erzählt hat, ist es hier gar nicht. Es sei denn, man kauft Alkohol oder Zigaretten (die Schachtel zu 10 Euro).
Von Kirkenes aus ist es nur noch ein Katzensprung bis zur russischen Grenze und ins nahe gelegene Murmansk. Man merkt die Nähe zum russischen Nachbarn. Die Straßenschilder sind auch in kyrillischer Schrift.
Nach Russland wollen bzw. dürfen wir nicht, aber zumindest bis zur Grenze bei Storskog. Bis hierhin und nicht weiter!
Nichtsdestotrotz ist für uns die Reise zu unserem östlichsten Punkt noch nicht zu Ende. 60 Kilometer weiter Richtung Nordosten liegt unser Ziel – Grense-Jakobselv an der Barentssee. Die Fahrt dorthin ist ein Genuss. Immer wieder fahren wir an Seen und zum Teil schneebedeckten Bergen vorbei.
Was hier allerdings so hochalpin anmutet, ist es keineswegs. Der höchste Pass, den wir überqueren, liegt auf 190 Metern und das Thermometer zeigt warme 24°C! Wir fahren direkt an der russischen Grenze entlang und werden immer wieder gewarnt, uns bloß nicht ins Feindesland zu wagen.
Bloß kein Fußbad nehmen! Nur wenige Schritte trennen uns hier von Putin:
Nach landschaftlich reizvollen und wirklich lohnenswerten 60 Kilometern haben wir das östlichste Ziel unserer Reise erreicht: Grense-Jakobselv an der Barentssee. Und wenn die Eiseskälte auch weh tut – wir stecken unsere Füße kurz in das eiskalte Wasser:
Den geplanten Strandspaziergang verkneifen wir uns aber doch lieber, denn so schön es auch aussieht, die Halbinsel ist bereits Feindesland, und irgendwo davor verläuft die Grenze!
Wir machen uns gemütlich an den Rückweg nach Kirkenes, und irgendwo auf halber Strecke finden wir einen wunderschönen Platz zum Übernachten.
Übernachten? Über-was? Nacht? Was ist Nacht? Die Sonne scheint jetzt 24 Stunden und geht erst wieder am 19. Juli unter. Wir genießen diese endlosen Tage. Auch wenn die Schlafqualität darunter leidet. Schläft man irgendwann in der Früh ein, wird man auch gleich wieder von der Sonne geweckt, die erbarmungslos auf das Auto knallt. Aber daran werden wir uns gewöhnen müssen.
Von hier aus wollen wir jetzt gemütlich zum Nordkap weiter fahren.
Fotos und Koordinaten all unserer Stellplätze in der Infobox links unter – unsere Stellplätze ……
Unsere Strecke von Söderhamn nach Kirkenes - 1.615 km
Gesamtstrecke von München bis jetzt: 4.633 km
Blog erstellt am 02.07.2017 am Tanafjord in Norwegen.
1 Kommentar:
LG
Christian
Kommentar veröffentlichen